Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Bezug auf die Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz vom 16. Juni 2025 (BMJ-ID: [49235002]) zur Frage der Öffentlichkeit und anderen Problemfeldern der richterlichen Eidesleistung wende ich mich an Sie als zuständige Landesbehörden gemäß Ihrer Zuständigkeit für die Einstellung und Vereidigung von Richterinnen und Richtern.
Das Bundesministerium teilt in besagter Antwort mit, dass gerichtliche Verhandlungen öffentlich seien und die Eidesleistung daher „bereits öffentlich“ erfolge. Die konkrete Verantwortung für die Durchführung und Dokumentation dieser Eidesleistung liege jedoch bei den Ländern.
Hintergrund und Anlass meines Auskunftsbegehrens:
Artikel 97 GG verpflichtet Richter zur Unabhängigkeit, während Artikel 20 Abs. 2 GG die Ausübung der Staatsgewalt an Wahlen und demokratische Legitimation bindet. Eine zentrale Schnittstelle zwischen beiden Prinzipien ist der Richtereid, der nicht nur interner Verwaltungsakt sein darf, sondern verfassungsrechtlich als öffentlicher Treueakt gegenüber dem Souverän (dem Volk) zu verstehen ist.
In diesem Zusammenhang bitte ich Sie um eine präzise und umfassende Auskunft zu folgenden Fragen:
Konkretisiertes Auskunftsersuchen:
1. Wo und wann leisten Richterinnen und Richter Ihres Landes üblicherweise ihren Eid?
• Findet diese Leistung im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung statt?
• Oder in verwaltungsinterner Form?
2. Wird die Eidesleistung dokumentiert und archiviert?
• Existiert eine schriftliche Eidesformel mit Unterschrift?
• Wer verwahrt dieses Dokument?
• Welche Rechtsnorm regelt diese Dokumentation?
3. Besteht für Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf Einsichtnahme in den Eidesnachweis bestimmter Richter (z. B. im Rahmen einer Akteneinsicht, Dienstaufsichtsbeschwerde, Verwaltungsanfrage)?
• Wenn nein: Welche gesetzlichen Schranken greifen?
4 Wer prüft die ordnungsgemäße Eidesleistung?
• Ist der Eid Voraussetzung für das Tätigwerden in der Rechtsprechung?
• Was geschieht, wenn der Eid (z. B. irrtümlich) nicht erfolgt ist?
Aktueller Anlass - Fallbezug:
Als besonders konkretes Beispiel nenne ich den öffentlich diskutierten Fall eines Richters, der kürzlich in einem Verfahren zur Grenzübertrittssituation dreier somalischer Männer ein Urteil fällte, das faktisch die Staatsgrenze betrifft.
In der öffentlichen Wahrnehmung wirkte diese Entscheidung wie eine autoritative Grenzöffnung. Zugleich fehlt jegliche Transparenz darüber:
• wer dieser Richter ist,
• ob und wann er seinen Eid geleistet hat,
• ob er zu diesem Zeitpunkt bereits richterlich unabhängig war,
• und auf welcher Grundlage er im Namen des Volkes gesprochen hat.
Dieser Fall zeigt exemplarisch die Dringlichkeit einer öffentlich nachvollziehbaren Eideskultur.
...
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte:r M.,
Sie haben mit unten stehender Mail vom 20. Juni 2025 um Auskunft zu folgenden Fragen gebeten:
1. Wo und wann leisten Richterinnen und Richter Ihres Landes üblicherweise ihren Eid?
• Findet diese Leistung im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung statt?
• Oder in verwaltungsinterner Form?
2. Wird die Eidesleistung dokumentiert und archiviert?
• Existiert eine schriftliche Eidesformel mit Unterschrift?
• Wer verwahrt dieses Dokument?
• Welche Rechtsnorm regelt diese Dokumentation?
3. Besteht für Bürgerinnen und Bürger ein Recht auf Einsichtnahme in den Eidesnachweis bestimmter Richter (z. B. im Rahmen einer Akteneinsicht, Dienstaufsichtsbeschwerde, Verwaltungsanfrage)?
• Wenn nein: Welche gesetzlichen Schranken greifen?
4 Wer prüft die ordnungsgemäße Eidesleistung?
• Ist der Eid Voraussetzung für das Tätigwerden in der Rechtsprechung?
• Was geschieht, wenn der Eid (z. B. irrtümlich) nicht erfolgt ist?
Diese Fragen werte ich als Antrag gemäß Bremisches Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG). Zu den oben genannten Punkten teile ich Ihnen mit:
Zu 1.:
§ 2 Bremisches Richtergesetz (BremRiG) regelt Folgendes:
(1) Die Richterin oder der Richter haben in öffentlicher Sitzung eines Gerichts den folgenden Eid zu leisten:
„Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen.“
(2) Der Eid kann auch mit der Beteuerung „so wahr mir Gott helfe“ geleistet werden.
Der Eid wird in aller Regel am Tag des Dienstantritts als Proberichterin bzw. Proberichter geleistet, in Einzelfällen auch an einem der Folgetage, wenn es organisatorisch nicht anders möglich ist. Der oder die dortige Vorsitzende nimmt den Eid ab.
Auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter haben vor der oder dem Vorsitzenden des Gericht, dem sie angehören, einen Eid zu leisten (§ 14 BremRiG). Gibt eine ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter an, dass sie oder er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so ist ein Gelöbnis abzulegen. Das Gelöbnis steht dem Eid gleich.
Zu 2.:
Eine schriftliche Eidesformel mit Unterschrift ist gemäß BremRiG und Deutsches Richtergesetz (DRiG) nicht notwendig und historisch betrachtet auch nicht das Wesen eines Eides, der mündlich geleistet wird. In der Praxis wird die Ableistung des Eids in der Niederschrift („Protokoll“) der Sitzung festgehalten und zur Personalakte genommen. Dadurch ist dokumentiert, wann und in welcher Form die Richterin bzw. der Richter ihrem bzw. seinem Eid nachgekommen ist. Dies stellt eine reine Verwaltungsroutine dar und ist keine zusätzliche materielle Voraussetzung. Verwahrt wird das Dokument von der jeweiligen Personalstelle.
Zu 3.:
Wie bereits dargestellt, ist die Leistung des Eides gesetzlich normiert und daher Bedingung für das Tätigwerden als Richterin bzw. Richter. Den Eid zu leisten ist eine unabdingbare materielle Amtsvoraussetzung. Ein Recht auf Einsicht in die Personalakte durch Bürgerinnen und Bürger besteht nicht. Zwar ist die Eidesleistung öffentlich (man kann als Besucherin oder Besucher der Sitzung beiwohnen), aber das schriftliche Sitzungsprotokoll ist ein internes Dokument. Einsichtsberechtigt sind daher in der Regel nur die Richterin bzw. der Richter selbst (und ggf. ihr bzw. sein rechtlicher Beistand), der Präsident bzw. die Präsidentin des Gerichts, die übergeordnete Dienstbehörde (z.B. das jeweilige Justizministerium), der Personalrat oder Personalvertretung und bei Disziplinarverfahren die zuständige Disziplinarbehörde.
Zu 4.:
Die vorsitzende Richterin bzw. der vorsitzende Richter prüft die ordnungsgemäße Leistung des Eides. Der Eid ist Voraussetzung für das Tätigwerden in der Rechtsprechung. Der Eid kann nachgeholt werden. Wer dies nicht tut, verliert seine richterliche Befähigung (§ 21 Entlassung aus dem Dienstverhältnis, DRiG: „(2) Der Richter ist zu entlassen, 1. wenn er sich weigert, den Richtereid (§ 38) zu leisten“).
Gebührenentscheidung:
Diese Entscheidung ergeht gemäß § 10 BremIFG gebührenfrei.
Rechtsbehelfsbelehrung:
...
Mit freundlichen Grüßen