Sehr geehrter Herr L.,
nach dem Koalitionsvertrag der derzeit amtierenden Bremer Landesregierung soll Cannabis entkriminalisiert werden:
"Wir wollen eine Drogenpolitik, die Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt stellt. Wer süchtig ist, braucht Hilfe und keine Strafverfolgung. Die Kriminalisierung von Cannabis schadet mehr als sie nützt. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ein wissenschaftliches Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis auf den Weg zu bringen und uns dabei ggf. mit anderen Ländern und Kommunen zusammentun. Wir setzen uns auf Bundesebene dafür ein, die kontrollierte Freigabe von Cannabis an Erwachsene gesetzlich zu ermöglichen. Solange werden wir wie das Land Berlin die Möglichkeiten zur Entkriminalisierung auf Landesebene nutzen. Die Staatsanwaltschaft wird nach den Umständen des Einzelfalles von Strafverfolgung gemäß §31aBtMG absehen, beim Besitz von Cannabisharz oder Marihuana von nicht mehr als 15g für den Eigenbedarf. Bei Besitz von nicht mehr als 10g Cannabisharz oder Marihuana oder von bis zu vier Pflanzen im Eigenanbau wird das Ermittlungsverfahren grundsätzlich eingestellt. In jedem Fall ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen."
(siehe https://www.spd-land-bremen.de/Binaries/Binary6330/Koalitionsvereinbarung-RGR-2019-2023-mitU-final.pdf
dort Seite 96)
Praktisch scheint wenig bis nichts zu passieren, jedenfalls bekam ich kürzlich für einen Mandanten von mir eine Anklage der Staatsanwaltschaft Bremen wegen Besitz von ca. 5 g Cannabis. Auf den Einwand im Zwischenverfahren, dass nach dem Koalitionsvertrag Cannabisbesitz entkriminalisiert werden soll, reagiert bisher weder das Amtsgericht noch die Staatsanwaltschaft.
Rechtlich müsste die im Koalitionsvertrag vereinbarte Entkriminalisierung von Cannabis wohl über einen Erlass des Leitenden Oberstaatsanwalts oder der Generalstaatsanwaltschaft geregelt werden.
In der vorangegangenen Legislaturperiode sah die Umsetzung der Entkriminalisierung von Cannabis so aus, dass nur sogenannte Ersttäter Einstellungen bekamen, was dann im Ergebnis darauf hinauslief, dass es die angekündigte Entkriminalisierung von Cannabis nicht wirklich gab.
Die jetzige Rechtslage zur Verfahrenseinstellung in Bremen ist mir schlicht nicht bekannt, was eine sachgerechte Strafverteidigung gegen den Vorwurf des Besitzes von Cannabis unangemessen behindert.
Unter Hinweis auf § 1 BremIFG beantrage ich daher
die Übersendung sämtlicher derzeit geltenden Erlasse der Staatsanwaltschaft Bremen, der Generalstaatsanwaltschaft Bremen sowie des bremischen Senators für Justiz welche die Einstellung und auch die Nichteinstellung von Cannabisbesitz betreffen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr S.,
unter Hinweis auf das BremIFG beantragen Sie die Mitteilung sämtlicher derzeit geltenden Erlasse, welche die Einstellung und auch die Nichteinstellung von Cannabisbesitz betreffen.
Für die senatorische Behörde teile ich Ihnen mit, dass es einschlägige Rechtsvorschriften, die ich Ihnen übersenden könnte, weder gibt noch gegeben hat.
Allerdings kann ich Ihnen ankündigen, dass Gemeinsame Richtlinien der Ressorts Justiz, Inneres und Gesundheit zur Anwendung des § 31a BtMG in Vorbereitung sind, die der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung dienen werden. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen; mit dem Erlass ist aber in Kürze zu rechnen.
Der geplante Erlass, darauf möchte ich ausdrücklich aufmerksam machen, kann nicht zur "Entkriminalisierung" des Besitzes von Cannabisprodukten führen. Denn auch im Anwendungsbereich des § 31a BtMG ist und bleibt der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln - und seien es noch so kleine Mengen - grundsätzlich strafbar, auch wenn von der Verfolgung unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden kann. Eine Entkriminalisierung könnte nur der Bundesgesetzgeber mit einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes bewirken.
Wegen Ihrer an die Generalstaatsanwaltschaft und an die Staatsanwaltschaft gerichteten Begehren wenden Sie sich bitte direkt an die genannten Behörden.
Mit freundlichen Grüßen