Sehr geehrte Justizminister,
namens und im Auftrag der xxx UG nehmen wir Stellung wie folgt:
Die Dienste Juris-Online und Beck-Online sind als Internetdienste zu werten (vgl. Auskunft des LG Darmstadt v. 29.9.2025 anbei sowie z.B. die Hessischen Richtlinien anbei). Daher fragen wir nach IFG (L-IFG) bezüglich aller Gerichte in Ihrem Verantwortungsbereich an:
1. Wie haben Sie die Einhaltung der gesetzlichen, sicherheitstechnischen und organisatorischen Regeln für diese Dienste sichergestellt, insbesondere auch, wenn diese mittels "irgendetwas mit KI" betrieben werden, z.B. inklusive Beck Chat?
2. Technische und organisatorische Maßnahmen (TOM): Internetdienste müssen datenschutzkonform abgesichert sein (§ 64 BDSG, Art. 32 DSGVO). Wie haben Sie das für Ihr Gericht abgesichert? Wer sind hierfür Ihre Dienstleister bzw. Partner?
3. Halten Sie die BSI-Vorgaben zur IT-Sicherheit ein? Auf welcher Stufe? Wer sichert das konkret wie ab?
4. Leiten Sie uns bitte Ihre Dienstanweisungen zur Internet- und eMail-Nutzung zu. Zudem diejenigen für die Nutzung von Juris-Online und Beck-Online.
5. Gibt es für Internetdienste eine Genehmigungspflicht in Ihrem Gericht? Auf welcher rechtlichen Grundlage werden diese genutzt und genehmigt?
6. Leiten Sie uns bitte die Dokumentationspflicht für die Nutzung von Internetdiensten zu, insbesondere für Juris-Online und Beck-Online.
7. Bitte leiten Sie uns den Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV) mit der Juris GmbH und Verlag C.H. Beck durch Ihr Gericht bzw. geltend für Ihr Gericht zu (Art. 28 DSGVO). Ist darin das Tracking Ihrer Richter verboten worden? Worüber hätten Sie das ansonsten untersagt und wann und durch wem und wem gegenüber?
8. Wie haben Sie sichergestellt, dass die Dienste Juris-Online und Beck-Online DSGVO-konform sind, idealerweise mit Serverstandort in der EU? Sind sie das? Inwiefern?
9. Keine US-Dienste ohne SCC oder zusätzliche Garantien: Z. B. Google, Microsoft, Zoom nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Beck nutzt amerikanische Dienste. Wie haben Sie Beck hierfür zusätzliche Garantien auferlegt? Bitte leiten Sie uns diese zu.
10. Gerichte unterliegen zusätzlichen Anforderungen wegen der Unabhängigkeit der Justiz und der Vertraulichkeit von Verfahren:
• Vertraulichkeit (§ 43 DRiG): Informationen aus Verfahren dürfen nicht über unsichere Kanäle verarbeitet oder kommuniziert werden.
• Akte darf nur über sichere Systeme geführt werden: Elektronische Akte und Kommunikation erfolgen über besonders gesicherte Infrastrukturen (z. B. EGVP, beA).
• Keine Cloud-Speicherung gerichtlicher Daten ohne ausdrückliche Zulassung.
Wie haben Sie die vorstehenden Punkte eingehalten, insbesondere bezüglich der Dienste Juris-Online und Beck-Online? Bekanntlich reizen Chat-Systeme dazu an, dass man Akteninhalte als Frage in die Suchmaske eingibt. Haben Sie derartiges Ihren Richtern verboten? Wie wäre die Vertraulichkeit für die Verfahrensparteien und die Prozessbevollmächtigten ansonsten abgesichert?
11. Nicht-Diskriminierung: Die Inhalte von Juris-Online und Beck-Online bestehen zu über 99% ausschließlich aus Gerichtsurteilen, was das reine Datenvolumen anbelangt. Diese sind gemeinfrei. Die beiden Systeme erhalten auch Ihre Urteile privilegierend, exklusivierend und als einzige in einer kritischen Masse. Jeder andere Verlag und Internetveröffentlicher muss also definitiv mit mindestens "Urteile minus 1" zurecht kommen und hat im Zweifel "DAS wichtige Urteil gerade nicht in seinem Datenbestand". Warum machen Sie das? Wie haben Sie sichergestellt, dass die Juris GmbH und Verlag C.H. Beck aus diesen gemeinfreien Inhalten nicht auch noch exklusivierend KI-Dienste anbieten kann, die womöglich auch Rechtsberatung ersetzen und damit schwerst in den geschützten Anwaltsberuf eingreifen könnten? Seit wann liefern Sie nicht mehr exklusivierend, privilegierend und einzig in einer kritischen Masse nutzungsfähig Urteile an die beiden Anbieter, direkt oder über Systeme wie Landesrechtsprechungsdatenbanken oder eigene Gerichtsdatenbanken (die z.B. von der Juris GmbH oder von Verlag C.H. Beck betrieben werden und über die sie wiederum vorteilhaft Urteile erhalten für eigene kommerzielle Angebote)?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Dr. x,
Sie haben mit Schreiben vom 21. Oktober 2025 gleichlautende Anträge mit Verweis auf das Bremische Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) an mindestens vier Dienststellen der Freien Hansestadt Bremen gestellt. Ich habe Ihren Antrag als IFG-Beauftragte der Senatorin für Justiz und Verfassung an mich gezogen, da in Ihren Anträgen Fragen erkennbar sind, die andere Dienststellen, wie beispielsweise das Landesarbeitsgericht Bremen, nicht beantworten können, da sie nicht zuständig sind.
Sie haben mit den oben genannten Schreiben folgende Anträge mit Verweis auf das BremIFG gestellt:
[Wiederholung der oben stehenden Fragen]
Zu den oben genannten Punkten teile ich Ihnen mit:
Zu 1.: KI-Tools werden in der bremischen Justiz aktuell bei der Recherche in den Datenbanken von juris und Beck-online nicht genutzt.
Zu 2.: Die Justiz Bremen gehört zur Freien Hansestadt Bremen. Der Senator für Finanzen kümmert sich um Hard- und Software sowie die IT-Sicherheit für die Bremer Verwaltung. Die IT-Stelle Justiz, die in meinem Haus besteht, kümmert sich um die Einführung der elektronischen Akte, betreut Fachverfahren usw. – diese sind aber keine Internetdienste. Für die Redaktion der jeweiligen Internetseiten verwenden die Gerichte wie auch mein Haus das KOGiS-Baukastensystem, das wiederum vom Senator für Finanzen für alle Dienststellen des bremischen Öffentlichen Dienstes zentral verantwortet wird.
Zu 3.: Die Justiz Bremen gehört zur Freien Hansestadt Bremen. Das Zentrale Informationssicherheitsmanagement der Freien Hansestadt Bremen ist beim Senator für Finanzen verortet, ebenso liegt dort die Zuständigkeit für sicherheitsrelevante IT-Betriebsstrukturen der Freien Hansestadt Bremen und ihrer Dienstleister*innen einschließlich Identity und Access Management. Für spezifische Anforderungen der Justiz ist ergänzend die IT-Stelle Justiz zuständig.
Zu 4.: Die Verwaltungsvorschrift zu Kommunikation und Dokumentenverwaltung in der Freien Hansestadt Bremen (VV KommDok) vom 24. April 2018 gilt für alle Mitarbeitenden, somit auch für Richterinnen und Richter und weitere Bedienstete der bremischen Justiz. Die Vorschrift kann im Transparenzportal der Freien Hansestadt Bremen unter https://www.transparenz.bremen.de/metainforma-tionen/verwaltungsvorschrift-zu-kommunikation-und-dokumentenverwaltung-in-der-freien-hanse-stadt-bremen-vv-kommdok-116447?template=20_gp_ifg_meta_detail_d aufgerufen werden.
Weiter gilt für alle Beschäftigten der Freien Hansestadt Bremen das Bremisches Ausführungsgesetz zur EU-Datenschutz-Grundverordnung (BremDSGVOAG), das ebenfalls im Transparenzportal aufgerufen werden kann: https://www.transparenz.bremen.de/metainformationen/bremisches-ausfueh-rungsgesetz-zur-eu-datenschutz-grundverordnung-bremdsgvoag-vom-8-mai-2018-116884?asl=bre-men203_tpgesetz.c.55340.de&template=20_gp_ifg_meta_detail_d
Gesonderte Vorschriften der Nutzung von juris und Beck Online bestehen nicht.
Zu 5.: Bei der Nutzung von Internetdiensten haben sich alle Beschäftigten der bremischen Gerichte an die unter 4. aufgeführte Vorschrift und das dort genannte Gesetz zu halten.
Zu 6.: Eine Dokumentationspflicht für die Mitarbeitenden im Geschäftsbereich der Senatorin für Justiz und Verfassung bezüglich der Nutzung von Internetdiensten inklusive juris und Beck-Online besteht nicht. Eine derartige Pflicht würde im Bereich der Rechtsprechung gegen Art. 97 Grundgesetz verstoßen.
Zu 7.: Nach hiesiger Rechtsauffassung ist kein Auftragsverarbeitungsvertrag erforderlich. Vertragsgegenstand der mit der Juris GmbH und dem Beck-Verlag geschlossenen Verträgen ist im Kern die Bereitstellung bzw. Nutzung juristischer Fachinformationen.
Zu 8. Dazu verweise ich
bezüglich der Juris GmbH auf Ziffer 9 der AGB sowie die Hinweise zum Datenschutz der juris GmbH
Link AGB Juris:
https://www.juris.de/jportal/nav/services/agb/agb.jsp
Link Datenschutz-Hinweise Juris:
https://www.juris.de/jportal/nav/services/datenschutz/index.jsp
und bezüglich des Beck-Verlages auf Ziffer 17 des Vertrags vom 21.12.2023
Link zum Vertrag im Transparenzportal Bremen:
https://www.justiz.bremen.de/sixcms/media.php/13/2023-12-21_Vertrag_beck-online_ge-schw%25C3%25A4rzt.pdf
sowie auf die Datenschutzerklärung des Verlags
Link zur Datenschutz-Erklärung Beck-Online:
https://rsw.beck.de/beck-online-service/datenschutz
Zu 9.: Die Frage kann hier inhaltlich nicht nachvollzogen werden. Informationen zu einem Security Command Center liegen hier nicht vor.
Zu 10.: Die Unabhängigkeit der Gerichte ist ein grundlegendes Prinzip unseres freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats. Es bestehen daher neben den grundsätzlichen datenschutzrechtlichen Regeln keine speziellen Vorgaben, welche Daten von Richterinnen und Richtern in extern betriebene Suchmasken eingegeben werden dürfen und welche nicht. Die unter 4. genannten Vorschriften gelten auch für Richterinnen und Richter. Dass in extern betriebene Suchmasken keine personenbezogenen Daten oder Aktenzeichen eingegeben werden, dürfte gelebte Praxis sein, da dies keine sinnvolle Recherchemöglichkeit jenseits der eigenen Fachverfahren darstellt. In der Bremischen Justiz werden überdies keine „Chat-Systeme“ zur Recherche in online-Datenbanken genutzt (siehe Ant-wort zu Frage 1).
Zu 11.: Zu welchem Anteil sich die Inhalte der hier in Rede stehenden juristischen Datenbanken aus Gerichtsentscheidungen speisen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ihre Ausführungen zur Bereitstellung bzw. Veröffentlichung bremischer Gerichtsentscheidungen sind nicht zutreffend. Wie bereits mit meinem Schreiben vom 30. Juli 2025 mitgeteilt, werden alle anonymisierten Entscheidungen Bremer Gerichte, die an die juris GmbH übermittelt werden, auch anderen Interessierten zur Verfügung gestellt. Diese Praxis wird seit Jahrzehnten gelebt.
Wie ich Ihnen ebenfalls bereits mit Schreiben vom 30. Juli 2025 mitgeteilt habe, bedeutet diese Praxis, dass jedermann die so übermittelten Entscheidungen einer ihm zugänglichen Künstlichen Intelligenz zuführen kann, hierunter würde eine wie auch immer programmierte „Rechtsberatung“ fallen.
Gebührenentscheidung:
Diese Entscheidung ergeht gemäß § 10 BremIFG gebührenfrei.
Rechtsbehelfsbelehrung
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Mit freundlichen Grüßen